Mittwoch, 18. Februar 2009

Buddha oder Moses?

Diese Kurzgeschichte entsprang der Übung: "Schreibe aus der Sicht des anderen Geschlechts"
Thema: Angst vorm Wiedersehen/dem Gespräch/etc.


Das Schiff steht im Hafen, bereit zum Anlegen. Ein lauwarmer Wind, der Duft des Meeres, die sehnsüchtige Erinnerung an vergangene Zeiten. Monaco, endlich haben wir uns wieder.
Ähm, was ist das für ein Klingeln? Pedro, wo bist du?

Sie wacht auf.

Wahrscheinlich war es der Donner des peitschenden Gewitters, der sie aus ihrem Schlaf riss und den Vorhang für die Realität öffnete: Die knallharte Realität des Morgens nach einer Nacht, die mit einem Smalltalk begann und nach geschätzten 8 Caipirinha bei ihm im Bett endete. Er liegt nicht mehr hier. OK, Ruhe bewahren. Zumindest versuchen, nicht wie wild los zu schreien. Lieber mal die Gedanken sortieren.

Hatten wir Sex? Hat er verhütet? Lief überhaupt irgendwas? Und wie hieß er überhaupt?

Das Schlafzimmer ist dunkel, stickig und wirkt durch den großen IKEA-Schrank irgendwie beklemmend. Sie fühlt sich atemlos, wühlt in dem Dschungel aus Decken und Plüschkissen. Wo ist mein BH, verdammt? Der Gedanke, aus dem Zimmer und ins Rampenlicht zu treten, sorgt für Panik. Möglicherweise wartet er schon draußen, frisch geduscht, an einem Tisch mit Frühstück. Beim Gedanken an etwas essbares überkommt sie ein starkes Übelkeitsgefühl. Und wieso hat er eigentlich so viele Kissen? Ist er schwul?

Sie öffnet den dunkelbraunen Vorhang und blickt aus dem Fenster. Dunkle Regenwolken scheinen die Sonne gefressen zu haben, trotzdem brennt das Licht in ihren durchzechten Augen. Sie braucht ein paar Sekunden, bis der Gelbstich wieder davon zieht. Dann stellt sie mit Bedauern fest, dass er im vierten Stock wohnt. Keine Chance also auf einen James Bond-artigen Sprung aus dem Fenster in die sie vorwurfsvoll anschauende Freiheit. Ihre Fingernägel verkrampfen sich in der Fensterbank. Es hilft ja alles nichts. Also ein letzter Blick in den Spiegel – den sie definitiv besser unterlassen hätte – und auf in den Kampf hinter der schmalen Altbautür. Die Holzdielen knarren unter ihren nackten Füßen und erzeugen einen verräterischen Lärm. Sie hält die Hände vor den Mund. Ob er das jetzt gehört hat? Ob er gleich zu ihr ins Schlafzimmer kommt? Ob er sich überhaupt noch an ihren Namen erinnern kann? Wenn sie sich wenigsten noch daran erinnern könnte, was heute Nacht in diesem Bett vor sich gegangen ist. Schwanger von einem fremden Mann. Einem betrunkenen fremden Mann mit einem Bett voller Plüschkissen. Herzlichen Glückwunsch!

Sie versucht sich zu sortieren, weiß allerdings genau, dass es zum Scheitern verurteilt ist. Zu groß ist die Panik, zu erdrückend die Ungewissheit. Einbahnstraße, sie muss jetzt einfach durch diese Tür.

Der Raum ist hell und aufgeräumt. Irritation. Ein Wohnzimmer mit weißer Ledercouch, modernen Bildern an der Wand und einer Statue in der Ecke. Buddha? Moses? Sie kommt nicht drauf. Verdammt, wo ist der Kerl?
Plötzlich, eine Tür. Leise Fußschritte, die kontinuierlich lauter werden und sich damit proportional zu ihrem Herzschlag verhalten.

Ihr Körper ist in Zement gegossen, sie kann weder vor noch zurück.
Mag schreien, dann doch lieber schweigen.

Eigentlich nur weg.
In Luft auflösen.
Ruhig atmen.
Atmen.
Panik.

Sie stehen sich gegenüber. „Na, ausgeschlafen?“ wird sie gefragt. Sie findet keine Worte, könnte nicht mal darauf antworten, wenn ihr Leben davon abhängen würde.
Übrigens“, schallt es in ihr verwirrtes Ohr „falls du dich nicht mehr so genau erinnern kannst:

Ich heiße Claudia.“

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