Dienstag, 10. März 2009

Die Kameras von letzter Woche

Überwachung vs. Mitmach-Web – Ein Kommentar

Ihr fühlt Euch unwohl, wenn ihr am Luisenplatz steht und auf die Bahn wartet? Beim Flanieren durch die Kaufhäuser überkommt euch ein Gefühl der Freiheitsberaubung? Und wenn Ihr an der Mathildenhöhe auf der Mauer sitzt und in der Nase popelt, dann nur mit hochrotem Kopf? Klar, denn Ihr fühlt Euch beobachtet. Überall Kameras, teilweise ganz unauffällig angebracht, da könnte man ja gleich ins Big-Brother-Haus einziehen. Total gemein, so was!

Jetzt mal im Ernst: Ein nicht wirklich lustiger, aber weiser Komiker prägte einst den Satz: „Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal die Fresse halten!“ – und das solltet ihr Euch zu Herzen nehmen. „Ihr“, das sind nicht die, die sich wirklich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen. Auch nicht die, denen das alles völlig schnuppe ist. Mit „Ihr“ meine ich all' die Vollpfosten unter uns, die sich ihre Informationen zum Thema Überwachungsgesellschaft aus irgendwelchen zweitklassigen Online-Foren zusammenbasteln und danach unbedingt rumposaunen müssen, wie fies der Staat uns arme Bürger doch kontrolliert.
Das alleine wäre ja noch halbwegs verkraftbar, doch Ihr übertrefft Euch wirklich selbst: Auf der einen Seite überlegt Ihr heimlich, wie viele Kaugummis es wohl bräuchte, um sämtliche Kameras der Stadt anti-überwachungstauglichkeits-mäßig zu überkleben. Und im gleichen Moment entdeckt Ihr die bunten Möglichkeiten des „Web 2.0“: Da werden in aller Seelenruhe die Fotos der letzten Drecksauparty ins studiVZ gestellt und im Myspace-Blog wird über Arbeitskollegen gelästert. Bei wer-kennt-wen seid Ihr stolzes Mitglied der Gruppe „Ich-kenne-alle-Gina-Wild-Filme“ und, wenn man Gevatter Google nach Eurem Namen befragt, dann findet sich eine Fülle an weiteren Informationen, die Ihr mal besser für Euch behalten hättet. Der moderne Personalchef ist da anderer Meinung, denn mittlerweile führt der erste Weg nicht selten direkt ins World Wide Web, um möglichst viele Details über den Bewerber auf die freie Stelle zu erfahren, die in der abgelieferten Hochglanzmappe verschwiegen wurden. Des einen Freud ist des and'ren Leid – und wenn Ihr irgendwann einmal wegen so eines „Formfehlers“ am Traumjob vorbeischrammen solltet, dann war bestimmt die Kamera von letzter Woche Schuld.

1 Kommentar:

  1. Dem ist nicht hinzuzufügen. Ich finde es auch immer wieder erfrischend komisch, wenn sich Leute über den "Überwachungsstaat" aufregen aber gleichzeitig im Inet öfter die Hosen runterlassen als du bei diversen Alkohol-Vernichtungs-Kongressen.
    Oder hätte ich das nun nicht schreiben sollen, falls dich jemand als seriösen Schreiberling sucht? Hm, kannst es ja löschen. Doch halt: DAS WÄRE JA ZENSUR ... ;)

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